Wer alles kann, kann nichts richtig gut.
Für mehr Spezialisierung und Austausch.
Generalist, Allrounder, Multitalent, Alleskönner, Tausendsassa, … blablabla. Noch der Satz “Ihr Werkzeugkasten im Hosentaschenformat.” dazugestellt und schon ist der Werbetext für ein umfangreich ausgestattetes Taschenmesser fertig.
Doch käme tatsächlich jemand auf die Idee, Arbeiter nur mit einem Taschenmesser ausgestattet, auf einer Baustelle auflaufen zu lassen, um dort ein Haus zu errichten? So witzig der Anblick auch wäre, so absurd wäre dieser auch. Versteh mich nicht falsch, ich finde Taschenmesser super. Für kleine, wenig komplexe Arbeiten sind sie ideal. Für alles andere bevorzuge ich lieber richtiges Werkzeug. Doch es soll hier gar nicht um Taschenmesser gehen, sondern um Teams, genauer, die Zusammenstellung von Teams.
Die Anforderungen an das “ideale” Teammitglied im Work 2.0 lesen sich genauso wie der Werbetext eines Taschenmessers, reduziert auf ein Wort: Generalist. Doch was kann ein Team, ausschließlich aus Generalisten bestehend, tatsächlich bewirken? Von außen betrachtet scheint ein solches Team clever zusammengestellt, jedoch eröffnen sich bei näherer Betrachtung einige kritische bis unbequeme Fragen:
- Bis zu welchem Grad an Schwierigkeit bzw. Komplexität kann ich sie einsetzen?
- Reichen mir nur oberflächliche Arbeitsergebnisse?
- Wenn keiner konkret weiß wie es funktioniert, wer macht denn dann die Arbeit?
“Aber halt!”, höre ich es bereits rufen, “Generalisten im Work 2.0 sind Menschen, welche in mehreren, vorzugsweise all unseren Feldern spezialisiert sind. Quasi generelle Spezialisten.”.
“Wer alles kann, kann nichts richtig gut.”
Diesen Satz pflegte mein Großvater zu sagen. Er war leitender Qualitätsprüfer in einem Maschinenbauunternehmen. Er kannte die dort hergestellten Maschinen in- und auswendig, allerdings war er nicht in der Lage diese vollständig alleine zu bauen. Keiner konnte das.
“I, Pencil”
1958 wurde in der Zeitschrift “The Freeman” das Essay “I, Pencil” [1] von Leonard E. Read veröffentlicht. Es handelt von einem Bleistift welcher seine Herkunft und Entstehung erzählt. Daraus wird ersichtlich, dass kein Mensch in der Lage ist, etwas so simples wie einen Bleistift vollständig selber herzustellen – obwohl dieser offensichtlich aus nur vier Teilen besteht. Read zieht den Kreis der Beteiligten mit jedem Satz größer: vom Holzfäller über den Arbeiter, der die Messingmuffe zum Halten des Radiergummis herstellt, den Arbeiter, der den Beton des Damms des Wasserwerks gießt, welches die Energie bereitstellt, bis hin zum Kaffeebauern ohne dessen Arbeit der morgendliche Start schwerer wäre.
Es ist zwar ein Plädoyer für die freie Marktwirtschaft, allerdings zeigt es auch, dass es nicht (mehr) möglich ist, ohne Spezialisten zu arbeiten.
Die kulturelle Evolution
Einer der Grundpfeiler, wenn nicht sogar DER Grundpfeiler für unseren heutigen Lebensstandard ist der Austausch. Der Austausch von Objekten, Traditionen, Gewohnheiten und Ideen ist eine einzigartige menschliche Eigenschaft. Dieses Zusammenwirken führt zu mehr Wachstum, Expansion und folglich neuen Technologien. Vor allem der Wissensaustausch von Spezialisten gibt dem Ganzen nochmals richtig Schub.
Zeitersparnis durch Spezialisierung
Dieser Satz ist keineswegs provokant gemeint. Ab einem gewissen Grad an Komplexität in Aufgaben, ist die Aufteilung dieser auf Spezialisten, sinnvoll und zeitsparend.
Ein kurzes Beispiel, bewusst nicht komplex, aus der Steinzeit: die Herstellung eines Speers und eines Faustkeils.
Mensch | Zeitaufwand für einen Speer in Stunden | Zeitaufwand für einen Faustkeil in Stunden | Insgesamt in Stunden |
---|---|---|---|
Aga Ugo | 4 | 3 | 7 |
Uga Ogu | 1 | 2 | 3 |
Aga Ugo und Uga Ogu sind Generalisten und benötigen einander nicht. Einer ist insgesamt sogar schneller in der Fertigung beider Gegenstände als der Andere. Doch was würde passieren wenn beide sich auf das konzentrieren was sie am besten können und danach die gefertigten Werkzeuge tauschen?
Mensch | Zeitaufwand für zwei Speere in Stunden | Zeitaufwand für zwei Faustkeile in Stunden | Insgesamt in Stunden |
---|---|---|---|
Aga Ugo | 6 | 6 | |
Uga Ogu | 2 | 2 |
Sie sparen beide jeweils eine Stunde und beide werden mit der Zeit immer besser in ihrer jeweiligen Tätigkeit. Die Idee dahinter ist durchaus auch auf modernere Tätigkeiten, Technologien und ganz allgemein auf Wissen anwendbar.
“Team 3.0”
Übertragen auf heutige Unternehmen und Unternehmungen bedeutet dies, dass selbst bei Kleinstprojekten, Mitarbeiter nach geforderter Spezialisierung und ihrer Fähigkeit des Austauschs zusammengestellt werden müssen. Wobei beide Eigenschaften gleichwertig gewichtet werden. Ich bin der Meinung, dass diese Kombination von Spezialisierung und Fähigkeit des Austauschs bei jedem Teammitglied zu wesentlich erfolgreicheren Ergebnissen führt, als der Einsatz von Generalisten.
Jedoch wie beim Taschenmesser auch, ist das Mitführen eines Generalisten nicht das Schlechteste. Wer weiß wann man diesen mal braucht.